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2005-04-14 10:45:54 UTC
Karl-Ludwig Diehl,Ackerstr.4,53179 Bonn - Seaman Ave,New York
form follows function: Ricardos Brüste
Ricardo Porro behauptet: "Meine Gebäude vermitteln immer das
Gefühl unbegrenzten Raumes." (1) Er will keine Elemente aneinander
reihen, sondern diese integrieren, und dabei denkt er daran, wie er
seine Komposition offen halten kann. Er zitiert dazu gerne den Spruch
von Pascal: "Die Stille unendlicher Räume ängstigt mich."
Porro sagt von sich, solche Räume machen ihm sowohl Angst, aber sie
sind zugleich rätselhaft. Deswegen liebt er solche Räume. Sie geben
zu denken. Vordergründigkeit mag Porro nicht in der Architektur,
Architektur soll Rätsel aufgeben und zum Denken anreizen. (2)
Sein wichtigstes Werk ist vielleicht die Escuela de Bellas Artes
in Havanna. Diese Schule für Bildende Künste entstand auf einem
ehemaligen Golfplatz. Damit die Studierenden nicht den Eindruck
haben, sich abgelegen in einer schönen Naturlandschaft aufzuhalten,
konzipierte er den Campus als Stadt für sich. Zugleich überlagerte er
dieses Bild mit erotischen Motiven, d.h. seine "Stadt" aus vielen
Kuppelbauten spielt auf Eros und die Frauenbrüste an.
Der zentrale Platz der Kunsthochschule erhielt einen Brunnen,
der von der tropischen Papaya-Frucht inspiriert ist. Auch diese Papaya
nimmt Bezug auf den Eros und das weibliche Geschlecht. (3)
Warum tat er das?
Er sagt: "Die Schwarzen, die (auf Kuba) einen großen Teil der Be-
völkerung ausmachen, haben nie Architektur produziert. Sie haben
hingegen eine Volksmusik und eine Volksdichtung geschaffen, in denen
eine gewisse Erotik zum Ausdruck kommt, die sich ständig wiederholt.
Das trifft vor allem auf den Volkstanz, den Rumba, zu, einen lasziven
Tanz, der den Hahn mimt, der die Henne besteigt." (4)
Das Gebäude bewegt sich also in seinem Ausdruck ganz innerhalb
von kubanischen Traditionen. Zugleich war es damals sehr modern.
Diese Kunstschule wurde 1960-63 gebaut und zwar als "dem Menschen
dienender Lebensraum, der seine Funktion erfüllen muß und
gleichzeitig
dem Alltäglichen eine poetische Dimension verleiht". (6)
Luftfoto und Grundriß von der Bauanlage zeigen einige lange gebogene
Gänge, die Zylinderschalen aus Backsteinen über sich haben und zu den
Ateliers führen, die als Kuppelräume gehalten sich und über kleine
überwölbte Verbindungsgänge an die langen Gänge angeschlossen sind.
Der Hörsaalbereich ist kompakter und hat über rechteckigen Räumen
rhythmisch interessant gereihte Tonnenschalen, die in der katalanischen
Wölbungstechnik hergestellt wurden. Den Backstein trifft man auch bei
den Kuppeln und den Pilastern an, auf denen Wölbungen aufgelagert
sind. Selbst die Innenhöfe wurden mit roten Backsteinen gepflastert.
(7)
Daß er Eros in seiner sehr funktionalen Architektur symbolisiert, hat
ganz
den Grund, damit zugleich auf Ekastase verweisen zu können, von der
Broch sagt:
"Ekstase ist ein Zustand der Trunkenheit des Willens, welche als reine
Form
angesehen werden kann, ein Zustand, in dem der Wille sich als
Unterdrückung des Leides manifestiert." Porro will Ekstase mit seiner
Architektur evozieren. Sie ist ihm überaus wichtig bei seinen
funktionalen
Bauten, denn: "Alle Ekstase des Menschen steht für die Entwicklung
seiner selbst in Reinheit." Bauten sollen deshalb auch das Gefühl ver-
mitteln, "als könnten sie in den Himmel wachsen wie Bäume". (8)
Tatsächlich vermittelt die Architektur diese Lebendigkeit in den
Dingen.
Porro erinnert gerne an Michelangelo und die Peterskirche in Rom, an
der
so viele Baumeister gewirkt haben:
"Die Kuppel Michelangelos wird zum Kopf, die Fassade Modernos zur
Brust, und der Balkon, von dem aus der Papst die Menschenmenge
segnet, zum Herzen. Der Säulengang, den er hinzufügt, schafft den
Eindruck von zwei umarmenden Armen." (9)
Das mag Porros Privatphilosophie sein, aber für ihn sind Gebäude wie
riesige menschliche Wesen, oder anders ausgedrückt:
"Man könnte auch sagen, daß die Poesie in der Architektur die
Übersetzung der Welt in lebendige Räume ist"/./ (10)
Bei Porro ist das ganz gewiss so.
Karl-Ludwig Diehl
Anmerkungen: (liegen beim Autor)
form follows function: Ricardos Brüste
Ricardo Porro behauptet: "Meine Gebäude vermitteln immer das
Gefühl unbegrenzten Raumes." (1) Er will keine Elemente aneinander
reihen, sondern diese integrieren, und dabei denkt er daran, wie er
seine Komposition offen halten kann. Er zitiert dazu gerne den Spruch
von Pascal: "Die Stille unendlicher Räume ängstigt mich."
Porro sagt von sich, solche Räume machen ihm sowohl Angst, aber sie
sind zugleich rätselhaft. Deswegen liebt er solche Räume. Sie geben
zu denken. Vordergründigkeit mag Porro nicht in der Architektur,
Architektur soll Rätsel aufgeben und zum Denken anreizen. (2)
Sein wichtigstes Werk ist vielleicht die Escuela de Bellas Artes
in Havanna. Diese Schule für Bildende Künste entstand auf einem
ehemaligen Golfplatz. Damit die Studierenden nicht den Eindruck
haben, sich abgelegen in einer schönen Naturlandschaft aufzuhalten,
konzipierte er den Campus als Stadt für sich. Zugleich überlagerte er
dieses Bild mit erotischen Motiven, d.h. seine "Stadt" aus vielen
Kuppelbauten spielt auf Eros und die Frauenbrüste an.
Der zentrale Platz der Kunsthochschule erhielt einen Brunnen,
der von der tropischen Papaya-Frucht inspiriert ist. Auch diese Papaya
nimmt Bezug auf den Eros und das weibliche Geschlecht. (3)
Warum tat er das?
Er sagt: "Die Schwarzen, die (auf Kuba) einen großen Teil der Be-
völkerung ausmachen, haben nie Architektur produziert. Sie haben
hingegen eine Volksmusik und eine Volksdichtung geschaffen, in denen
eine gewisse Erotik zum Ausdruck kommt, die sich ständig wiederholt.
Das trifft vor allem auf den Volkstanz, den Rumba, zu, einen lasziven
Tanz, der den Hahn mimt, der die Henne besteigt." (4)
Das Gebäude bewegt sich also in seinem Ausdruck ganz innerhalb
von kubanischen Traditionen. Zugleich war es damals sehr modern.
Diese Kunstschule wurde 1960-63 gebaut und zwar als "dem Menschen
dienender Lebensraum, der seine Funktion erfüllen muß und
gleichzeitig
dem Alltäglichen eine poetische Dimension verleiht". (6)
Luftfoto und Grundriß von der Bauanlage zeigen einige lange gebogene
Gänge, die Zylinderschalen aus Backsteinen über sich haben und zu den
Ateliers führen, die als Kuppelräume gehalten sich und über kleine
überwölbte Verbindungsgänge an die langen Gänge angeschlossen sind.
Der Hörsaalbereich ist kompakter und hat über rechteckigen Räumen
rhythmisch interessant gereihte Tonnenschalen, die in der katalanischen
Wölbungstechnik hergestellt wurden. Den Backstein trifft man auch bei
den Kuppeln und den Pilastern an, auf denen Wölbungen aufgelagert
sind. Selbst die Innenhöfe wurden mit roten Backsteinen gepflastert.
(7)
Daß er Eros in seiner sehr funktionalen Architektur symbolisiert, hat
ganz
den Grund, damit zugleich auf Ekastase verweisen zu können, von der
Broch sagt:
"Ekstase ist ein Zustand der Trunkenheit des Willens, welche als reine
Form
angesehen werden kann, ein Zustand, in dem der Wille sich als
Unterdrückung des Leides manifestiert." Porro will Ekstase mit seiner
Architektur evozieren. Sie ist ihm überaus wichtig bei seinen
funktionalen
Bauten, denn: "Alle Ekstase des Menschen steht für die Entwicklung
seiner selbst in Reinheit." Bauten sollen deshalb auch das Gefühl ver-
mitteln, "als könnten sie in den Himmel wachsen wie Bäume". (8)
Tatsächlich vermittelt die Architektur diese Lebendigkeit in den
Dingen.
Porro erinnert gerne an Michelangelo und die Peterskirche in Rom, an
der
so viele Baumeister gewirkt haben:
"Die Kuppel Michelangelos wird zum Kopf, die Fassade Modernos zur
Brust, und der Balkon, von dem aus der Papst die Menschenmenge
segnet, zum Herzen. Der Säulengang, den er hinzufügt, schafft den
Eindruck von zwei umarmenden Armen." (9)
Das mag Porros Privatphilosophie sein, aber für ihn sind Gebäude wie
riesige menschliche Wesen, oder anders ausgedrückt:
"Man könnte auch sagen, daß die Poesie in der Architektur die
Übersetzung der Welt in lebendige Räume ist"/./ (10)
Bei Porro ist das ganz gewiss so.
Karl-Ludwig Diehl
Anmerkungen: (liegen beim Autor)